rheinschau Herbst 2017
uerdingen | PORTRAIT 10 | AUSGABE HERBST 2017 Rächer der Gemobbten!“, sagt Watzlawik. Seit Beginn seiner Arbeit dort gibt es keine Disziplinarkonferenzen mehr. Regulär müsste er noch dreieinhalb Jahre bis zur Rente arbeiten. „Aber ich seh‘ das nicht so“, meint er. Watzlawik lebt in unterschiedlichen Welten und scheint sich in jeder souverän bewegen zu können. Fürs Exempel erzählt er von einem Tag vor drei Wo- chen, an dem er mit Schülern aus der fünften Klasse auf der Niers paddelte. „Ich liebe das da“, kommentiert er. „Nachmittags war ich mit Marie bei einer Fernseh- produktion und zwei Tage im Savoy-Hotel. Da wird man dann von einem Shutlledienst im feinsten Auto abgeholt und sitzt dann mit Thomas Gottschalk, Mario Adorf oder Pamela Anderson auf einer Couch. Das ist ne andere Welt, ich komm ja ursprünglich aus meinem Golf.“ Je mehr man versucht, Watzlawik einzuordnen, desto mehr stellen sich diesem Projekt Herausforderungen in den Weg. Angesprochen auf A ist er bereits bei C angekommen und kann selbst die größte Tragödie charmant und ideenreich darstellen. Dennoch, und das wird nach mehr als einer Stunde Gespräch deutlich, scheint der Optimist par excellence durchaus auch zu negativen Gedanken Zugang zu haben. „Es fällt mir beispielsweise schwer zu glauben, dass es Hoff- nungsträger gibt. Noch nicht mal ein Obama konnte als mächtigster Politiker der Welt Akzente setzen. Die Psychopathen, die gewaltbereit sind, setzen sich durch. „WIR HABEN ES NICHT GELERNT, WIRKLICH WIDERSTAND ZU LEISTEN. ES GAB ANDERE JAHR- ZEHNTE, DA WAR DAS MEHR MÖGLICH“ Du musst mal sehen, wie wenige diese Welt regieren und wie viele darunter leiden. Das ist ein seltsames Prinzip.“ Watzlawik pausiert um dann wieder neu anzusetzen. „Dass Menschen, die Menschen aus dem Mittelmeer retten – retten - einfach nur kriminalisiert werden…“ - Pause - „Wenn ich darüber nachdenke, könnte ich eigentlich nur kotzen! Das finde ich so… darüber könnte ich wirklich heulen.“ Gleichzeitig be- mängelt er, dass Menschen sich heutzutage ins Private zurückziehen oder in die Verdrängung gehen oder auf die nächste Party. Und alles, was danach passiere, sei scheißegal. „Das ist etwas, was mich total belastet. Da möchte ich für mich anders und konsequent sein!“ Seine Triebfeder sei sein christliches Werteverständnis, das betont er mehrmals. Er erinnert sich an das Café Sarah, welches er initiierte und welches daraufhin zum größten Begegnungs- punkt von Krefeldern und Menschen, die als Flüchtlinge nach Krefeld kamen, wurde. Zwei Jahre lang war er Organisator und Ansprechpartner, ehrenamtlich. Er berichtet noch darüber, wie er einer Kollegin, die eine Integrationsklasse leitete, großspurig ein „Pass auf Dich auf!“ mit auf den Weg gab, bis er sich eines Abends selbst in einem Café weinen sah, während er über eine Familie sprach und das alles nicht mehr aushielt. Watzlawik schweigt und schlürft an seiner Rhabarberschorle und sagt dann lächelnd: „Ich kann auch auf der Couch liegen und Fernsehen gucken und kuscheln mit meiner Frau. Ich hab ja ne neue Frau, ne.“ Doch Watzlawik wäre nicht Watzlawik, wenn nicht auch Ambition und Idealismus im Spiel wären. So fungieren seine Frau Ulla Schneider und Joachim Watzlawik neben Ehepaar auch als Inhaber der Kultur- agentur Schneider-Watzlawik. „Was ich an Spontanität Watzlawik zeigt auf ein Ausflugsziel seiner Kindheit Foto: Tobias Ritter
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