rheinschau Herbst 2017

PORTRAIT | uerdingen AUSGABE HERBST 2017 | 7 Joachim Watzlawik arbeitet derzeit als Sozialpädagoge an einem Gymnasium in Uerdingen und ist zudem Kulturmanager und Ehrenamtler in vielerlei Hinsicht. Es ist eine Herausforderung, einen Men- schen wie ihn auf fünf Seiten zu porträtieren. Ein Versuch. „Im Grunde genommen ist das auch symbolisch“, sagt Joachim Watzlawik, nachdem wir insgesamt dreimal unseren Sitzplatz in der Gastronomie des Kaiser Wilhelm Museums gewechselt haben. „Sollen wir in die Sonne gehn?“, fragte Watzlawik kurz vor unserem letzten Umzug und lehnte sich wenig später in einem neu besetzten Stuhl zurück. Sonne schien ihm ins Gesicht. „Siehste, das ist es! Warum irgendwo verharren, wenn‘s da doof ist? Du kannst jederzeit eine Entscheidung treffen und Deine Position ändern.“ Ein weiterer Grund, warum wir genau hier in der Sonne sitzen, ist, dass dieses Viertel, sein Viertel, leben soll, meint Watzlawik. Die Ambition, Dinge zum Leben zu erwecken, zu ändern, zu machen, scheint ein roter Faden zu sein. Dabei begann die Karriere Watzlawiks unspektakulär. Begonnen hat sein beruflicher Werdegang mit einer Ausbildung als Industriekaufmann. „Und, wie wars?“ „Doof!“, sagt er. Ausrufezeichen. „Und dieser Ort hier“, so Watzlawik weiter, der sich kurz im Innenhof am Jo- seph Beuys-Platz umsieht, „war zu meiner Lehrzeit ein Auffangbecken für mich, als ich keinen Bock hatte zur Arbeit zu gehen. Gott sei Dank machten das Museum und die Cafeteria ganz früh auf“, sagt er sachlich und rückt, während er erzählt, mit leichten Bewegungen sein Smartphone von links nach rechts und wieder zurück, bis es klingelt. Die Anruferin Marie Versini wird schnell von Watzlawik bekümmert. „Ich bin ihr Agent“, sagt er, als er auflegt. „Und Freund auch. Ich hab sie mal gebucht, für ein Karl May Event, das war 2002.“ Und schon gerät er in Schwärmereien für Winnetou und besonders Old Shatterhand. „Lex Barker! Hallo?“ „ICH BIN KREFELDER. ALLES HIER IST BESETZTER PLATZ FÜR MICH“ Neben seiner Zeit im Museum und bei Eduscho, wo er auch auf Intellektuelle, Lebenskünstler und Prominente der Stadt traf und dort für 30 Pfennig seinen Kaffee trank und über das Leben philosophierte („Ich bin ja eh so der Kaffehaustyp“) hieß die Gegenwelt zur anspruchslosen Ausbildung Jugendarbeit in einer katholischen Gemeinde in Fischeln. „Dort habe ich meinen Blick für die soziale Arbeit entwickelt, ich bin ja ein Mann des zweiten Bildungsweges“, sagt er. Denn dort konnte sich Watzlawik entfalten. Er wurde schnell zu demjenigen, den es in allen Kollektiven gibt: ein Mensch, der Dinge in die Hand nimmt, zusammen- bringt und -hält. Der nicht passieren lässt, sondern Voraussetzungen schafft. „Ich habe dort die Disco und eine Teestube organisiert. Wir luden auch Musiker ein und boten Diskussionsrunden zu Themen wie Kriegs- dienstverweigerung an. Ja, und dass ich da dann so involviert war, passierte einfach irgendwie und ich fand das toll“, sagt er heute. „Natürlich entwickelte sich das auch aus dem Defizit heraus, dass ich tagsüber weder Herausforderung noch Status empfand. Und dort war ich plötzlich wer.“ Es folgte der Zivildienst in einem Heilpädagogischen Zentrum, unmittelbar danach studierte er Heilpädago- gik und arbeitete 25 Jahre lang in einem Jugendheim. „Ich habe meine Arbeitsplatzbeschreibung ergänzt durch Kreativität“, sagt Watzlawik. Er organisierte Paten für seine Projekte, letztlich gehörten dazu Musikgrößen wie Grönemeyer und Westernhagen. Stark identifizieren konnte er sich ausgerechnet mit den Kindern, die entwurzelt waren. Trotzdem er selbst ganz andere Erfahrungen machte. Denn zur Welt kam der 62-Jährige als Jüngstes von drei Kindern in einem Haus auf der Königstraße in Krefeld. Und dieser Stadt kehrte er auch nicht mehr den Rücken. Noch bis heute identifiziert er sich stark mit seiner Heimat. Watzlawik erzählt von Trümmerbauten, die ihn damals schon faszinierten („Trümmergrundstücke waren meine Abenteuerspielplätze“) oder von der riesigen Spielab- teilung im Kaufhof. „Das war der Hammer da! Es gab Carrera-Bahnen und richtige Spielstände! Und dazu auch immer Aktionen wie Autogrammstunden der For- mel 1- oder Jojo-Weltmeister. Dann standen wir da alle mitm Jojo“, sagt Watzlawik und nennt sich selbst Kind der Innenstadt oder Wirtschaftswunderkind, welches in einem behüteten Umfeld groß werden durfte. Bei einem Karl-May-Event in Neukirchen-Vluyn Foto: privat Mit Maite Kelly Foto: privat

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