rheinschau Ausgabe Winter 2017/18
uerdingen | PORTRAIT 10 | AUSGABE WINTER 2017/18 Die Besetzung von "Ritas Welt" Foto RTLplus / Martin Lässig : Meine zweite Frage dazu ist: Haben Sie das Gefühl, irgendwann mal darauf reduziert wor- den zu sein oder passiert das immer noch? Ja, das passiert hin und wieder schon, aber in Anbe- tracht der Tatsache, dass ich eben viel rum komme, ist das irgendwie auch klar. Und ich weiß, dass viele Leute diesbezüglich ganz andere Probleme haben. Die können beispielsweise nicht mehr arbeiten und verarmen regelrecht, das ist ein großes Problem. : Gibt es für Sie diesbezüglich ein Vorher und ein Nachher? Für mich persönlich nicht, weil ich denke, dieses Grämen und dieses „Ach, das ist so schlimm und wenn das nicht wäre, wäre alles schöner“, das macht ja alle um mich herum unglücklich und mich selber auch und da habe ich keinen Bock drauf. Ich finde, man muss immer improvisieren im Leben, immer. Und wenn man mal Täler hat, das habe ich natürlich auch, ich bin ja auch nur ein Mensch, dann male ich was und mach’s mir hier in meinem Atelier candy- shopmäßig mit Farben schön und dann wird et auch wieder jut. : Sie verarbeiteten diese Phase ihres Lebens in einem Buch (Ein Schnupfen hätte auch gereicht). Ihr darauffolgender und aktueller Roman „Die Chefin“ schlägt eine ganz andere Seite ein: Dabei geht es um eine Frau, die zwei rumänischen Kindern auf deren Flucht begegnet. Dazu haben Sie auch selbst recherchiert und waren auch in Rumä- nien. Das ist eine andere Arbeit als das, was Sie bisher gemacht haben. Schlummerte diese Art von Publikation schon immer in Ihnen? Nee, das kam auch mit dem ewigen Gemeckere über Flüchtlinge und da habe ich mich gefragt: Woher kommt das alles? Und dann habe ich eben recher- chiert, besonders im Kontext Einbrüche. Und das sind ja meistens sogenannte Klau-Kinder, die ihren Eltern abgekauft werden. Und was ich am Allerschlimmsten finde: in jedem Elend gibt es Leute, die damit jede Menge Kohle machen. Diese Kinder leben also hier in irgendwelchen Keller-Verschlägen und müssen hor- rende Mieten zahlen, die kein Mensch mit ehrlicher Arbeit verdienen kann, deswegen werden sie oft im Einbruchgewerbe tätig. Mir war das wichtig, dem mal nachzugehen, weil ich das einfach nicht verstanden habe, warum gibt es das? Was treibt einen in solch eine Not, um dann so etwas tun zu müssen. : Haben diese Recherchen Sie bewusst verändert und falls ja, wie? Naja, also, wenn man sieht, wie die Leute leben, unter uns auf verschimmelten Matratzen schlafen ... In Duisburg sind diese Verschläge mittlerweile wieder abgerissen, aber in Rumänien haben die Leute in Wellblechhütten gelebt, die mit Plastiktüten bedeckt waren, damit es nicht rein regnet und wenn man das dann mit dem Theater, welches hier herrscht, vergleicht... : Wie hält man da seine eigenen Privile- gien aus? Ich habe kein schlechtes Gewissen, ich engagiere mich eben. Und ich habe mir mein Leben ja auch nicht ergaunert, also keine Bank überfallen oder so und immer dafür gearbeitet. Und bisweilen bin ich noch Porsche- und Ferrarifrei. : Sind Sie ein politisch denkender Mensch? Ja, auf jeden Fall und besonders schwillt mir der Kamm, wenn ich Ungerechtigkeiten bemerke. : Wie informieren Sie sich über das aktuelle Zeitgeschehen? Ich lese Tageszeitungen und natürlich auch im Internet. : Lesen Sie selbst gerne? Falls ja, was? Ich lese sehr gerne Biografien, wenn sie gut gemacht sind und ich höre auch sehr gerne Hörbücher. : Ich hab gesehen, Sie sind auch in den sozialen Medien aktiv, beispielsweise bei Twitter. Da haben Sie insgesamt zwei Tweets weggeschickt und der Letzte lautet: „Entschuldigt, wenn ich was falsch mache aber ich kenne mich hier noch nicht so aus #Hilfe“. Das ist sehr lustig und 28 Menschen ge- fällt das. Wieso haben Sie nicht weiter getwittert? Weil ich manchmal auch finde, dass das überhand- nimmt. Ich bin ja nicht Heidi Klum oder so, mir ist das zu viel, pausenlos Fotos und so. Diese ganzen elektroni- schen Hilfsmittel finde ich sehr, sehr gut, aber ich finde auch, dass eine bestimmte Gefahr besteht, dass man sich darin verliert. Es gibt ja im Tagesgeschäft auch noch Wichtigeres zu tun als beispielsweise Essen zu posten. 20. Januar 2018 Südbahnhof / Krefeld
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